in Röslau, dem geografischen Mittelpunkt des Fichtelgebirges. Schön, dass Sie sich für unsere Heimat und unsere evangelische Kirchengemeinde interessieren. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Entdecken!
Podcast "kurz & gut"
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Kennen Sie das Lied "Sie sieht mich nicht" von Xavier Naido? Es handelt von einem, der sich in eine Frau verliebt hat. Aber die Frau nimmt ihn überhaupt nicht wahr. Eine übersehene Liebe.
Nicht gesehen zu werden, kein Ansehen, keine Aufmerksamkeit, keine Beachtung, keine Achtung zu finden, ist ein Problem, mit dem viele Menschen zu kämpfen haben. Kinder und Jugendliche genauso wie Erwachsene. Manch einer fühlt sich nicht wahrgenommen, so lange er funktioniert. Nicht wertgeschätzt mit dem, was man tut. Oder nicht beachtet bezüglich dessen, wie es in einem aussieht, mit den Sorgen, Problemen, Komplexen, die man hat.
"Du bist ein Gott, der mich sieht." Diese Worte machten Hagar berühmt. Es geht bei Hagar nicht um ein Bedürfnis gesehen zu werden, wie wir es in unserem medialen Zeitalter kennen. Es geht nicht um Applaus unter den Augen vieler. Oder um den Vergleich, wie viele Follower jemand auf Instagram hat. In Hagars Fall fallen die Worte in die Einsamkeit.
Hagar war die Sklavin von Sara, der Frau des biblischen Stammvaters Abraham. Als es bei beiden nicht klappen will mit der Zeugung eines Nachkommen, entscheiden sie sich für eine Leihmutterschaft. Sara gibt Abraham ihren Segen, dass er mit der Sklavin Hagar den lang ersehnten Sohn bekommt. Hagar soll die Rolle einer Leihmutter übernehmen.
Mit ihrer Schwangerschaft wächst dann auch bei Hagar das Gefühl: "Ich bin doch nicht nur eine Sklavin. Ich habe einen Wert, ich habe eine Bedeutung." Doch als Sara, ihre Herrin, das mitbekommt, holt sie diese recht schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie, die durch die unerfüllte Schwangerschaft gekränkt und durch den Deal gedemütigt ist, behandelt die hochschwangere Hagar so herabwürdigend, dass dieser nur die Flucht in die Wüste bleibt.
Hagar, verletzt und gedemütigt, steht vor dem kompletten Nichts. "Niemand sieht mich!" Mit diesem Wirrwarr von Gedanken sitzt sie da, an einer Wasserquelle in der Wüste, ein Häuflein Elend.
Auf einmal hört sie Fragen: "Wo kommst du her? Wo willst du hin?" Da ist jemand, dem nicht gleichgültig ist, wie es ihr geht. Diese Fragen sind wir ein Türöffner. Jetzt kann sie erzählen, wie es zu allem kam. Sie kann Worte finden für das, was in ihr vorgeht.
Kennen Sie das auch, dass es einem leichter wird, wenn man erzählen kann? Es tut gut, wenn einem jemand gegenübersitzt, zuhört und zu einem steht. Wenn jemand einfach da ist. Man kann sagen, was einem zusetzt. Was einen traurig macht. Oder wütend. Was man versteht oder nicht versteht. Vielleicht auch wofür man sich schämt. Oder wovor man Angst hat. Wer anderen in dieser Weise einen Raum zum Reden eröffnet, vermittelt: Du bist wichtig. Dein Leben ist wichtig. Ich höre deine Fragen. Hier bin ich. Ich stehe dir zur Seite.
Wer ist das, der sich für Hagar interessiert? Auf diese Frage findet Hagar sehr rasch eine Antwort: Gott ist es. Gott fragt nach ihr. Und so bekennt Hagar: "Du bist ein Gott, der mich sieht."
Wo kommst du her? Wo gehst du hin? Treten doch auch wir ein in so ein Zwiegespräch mit Gott. Reden wir mit ihm über unseren Weg, über das, was uns beschäftigt. Dieses Gebet kann eine ganz unterschiedliche Dynamik bekommen: ein ruhiges Erzählen, ein emotionales Aufbegehren und Ringen, ein Schweigen. Und diese Begegnung mit Gott wird uns verändern, wie sie Hagar verändert hat.
Das Gefühl, dass er da ist und sie sieht, hat Hagar Mut gemacht. Dass Gott auf ihr gar nicht glanzvolles Leben schaut, hat sie selber berührt. Hagar erhält ihre Lebensenergie zurück, denn sie erlebt: Dem großen Gott, der für die ganze Welt zuständig ist, ist mein Leben wichtig. Es waren dann zwar nicht auf einmal alle Probleme gelöst. Aber Hagar konnte aufstehen. Sie wusste: Gott sagt Ja zu meinem Leben. Ich werde meinen Weg finden und gehen können. Und so wie sie können das auch wir.
Und wir können selbst zu einem Boten Gottes für andere werden: Einer, der den anderen wahrnimmt, sieht, nachfragt: Wo kommst du her, wo geht’s du hin? Wie geht’s dir?
Gehen wir in das Jahr 2023 mit all dem, was es für uns bereit hält an Freude aber auch an Herausforderungen in dieser Gewissheit, die Hagar hatte: Du bist ein Gott, der mich sieht.
Ihr
Jörg Mahler, Pfarrer